Die DMG und DPG warnen vor plus drei Grad bis 2050 als Worst Case. Was das wirklich bedeutet, welche Kippelemente jetzt in Reichweite sind – und wie positive Kipppunkte in Energie, Mobilität und Wärme zum Selbstläufer werden.
Drei Grad bis zur Mitte des Jahrhunderts: lange galt das als eher theoretische Möglichkeit. Jetzt warnen Meteorologinnen und Physiker gemeinsam, dass dieser Pfad unter gebündelt ungünstigen Annahmen erreichbar ist. Zugleich zeigen Daten: Erneuerbare wachsen so stark, dass sie den Mehrbedarf teils übertreffen – die Chance, fossile Kapazitäten tatsächlich zurückzubauen, ist real.

Eisschilde, Meereszirkulation und Korallenriffe reagieren träge, aber konsequent – genau deshalb zählt jede vermiedene Tonne doppelt. Und genau deshalb lohnt auch der Blick auf positive Kippschwellen: Solar, Batterien und Wärmepumpen können in die S-Kurve kippen, wenn Politik Parität, Mandate und Marktzugang klug verzahnen würde.
Über genau diese Risiken und Chancen haben wir mit Benjamin von Brackel gesprochen. Er hat soeben mit Toralf Staud das Buch „Am Kipppunkt“ veröffentlicht – ein Buch, das die harte Physik hinter den Kipppunkten verständlich macht und zugleich ein sehr praktisches Playbook liefert, wie positive Kippschwellen in Technik, Wirtschaft und Gesellschaft gezielt gezündet werden könnten.
von Eckard Christiani
Benjamin, Ende September haben die DMG und die DPG gewarnt: Im Worst Case könnten wir schon bis 2050 bei plus drei Grad landen. „Wir fliegen aus der Klimakurve“, sagte Frank Böttcher. Mir ist wichtig, dass unsere Leser:innen das richtig einordnen: Es geht nicht um das wahrscheinlichste Szenario, sondern um einen Risikokorridor. Als Faustregel: Um von heute grob plus 1,5 Grad auf drei Grad zu kommen, bräuchten wir in weniger als 25 Jahren rund 1,5 Grad zusätzliche Erwärmung. Das entspräche etwa 0,07 Grad pro Jahr – oder rund 0,6 Grad pro Dekade – also mehr als doppelt so schnell wie der derzeitige Trend. Wie siehst du das? Und was hieße plus drei Grad ganz praktisch?
Um bei einer Erwärmung von drei Grad bis 2050 herauszukommen, müsste schon ein ganzes Bündel an unglücklichen Faktoren zusammenkommen. Heißt: Die Erde reagiert am oberen Rand der Schätzungen auf CO₂, Wolken verstärken die Erwärmung stärker als gedacht, der kühlende Effekt mancher Luftschadstoffe fällt schneller weg, die Emissionen bleiben hoch – und obendrauf kommen natürliche Schubser wie ein starker El Niño. Wenn sich vieles davon überlagert, wird die Kurve vorübergehend steiler. Das ist nicht die angenommene Basislinie, aber es ist ein reales Risiko.
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