Es geht um ein neues Betriebssystem

Die neue Berliner Stiftung beyond new – The Human Future Foundation will kein Weiter-so, sondern bislang ungedachte Zukünfte entwerfen – mit aussagekräftigen Szenarien und konkreten Pfaden vom Klimabauhaus bis zur Care-Ökonomie.

von Fritz Lietsch, Chefredakteur von forum future economy

Ausgangspunkt von beyond new ist eine klare Diagnose: Die Zivilisation, wie sie organisiert ist, läuft aus – ökologisch, sozial und kulturell. Die Gegenwart ist aus den Fugen – die Moderne stößt an ihre Grenzen. Die Gefahr: Wer im alten Trott weitermacht, vergrößert nur die Schäden. Genau hier setzt die Stiftung an: nicht bei der nächsten Effizienzformel, sondern bei der Frage, wie eine lebensdienliche Zivilisation jenseits des Weiter-so aussehen kann.

„Es geht nicht um ein weiteres Upgrade, sondern um ein gänzlich neues Betriebssystem für das Zusammenleben unter planetaren Bedingungen“, sagt Mitgründer Prof. Dr. Stephan Rammler. Er gehört zu den profiliertesten Zukunftsforschern des Landes.

Der zweite im Team, Journalist und Autor Eckard Christiani, beschreibt den Stiftungsansatz so: „Zukunft entsteht, wenn gut recherchierte Ideen zu wirklich vorstellbaren Erzählungen werden.“ Für ihn sind Narrative wirkmächtige Werkzeuge: Sie übersetzen Erkenntnis in Vorstellung – und Vorstellung in Handlung.
Nizar Rokbani komplettiert das Gründerteam. Der Unternehmer und Sozialinvestor bringt Bodenhaftung ein: „Zukunftsgerechtigkeit heißt: Niemand bleibt zurück. Zukunft zählt erst, wenn sie Menschen in ihren realen Biografien berührt.“

Nizar Rokbani, Prof. Dr. Stephan Rammler und Eckard Christiani

Nicht schneller, höher, weiter…

Unbedingtes Wachstum hat Wohlstand erzeugt – und zugleich Krisen geschaffen und verschärft: Kipppunkte im Klima, soziale Spaltung, demokratische Ermüdung und digitale Kontrollmacht…

Heute wird zwar an vielen Stellen Transformation proklamiert, doch der Wandel bleibt bislang systemimmanent. beyond new setzt dagegen: Optimieren reicht nicht. Es braucht anderes Denken, anderes Erzählen und anderes Handeln. Die Stiftung versteht sich deshalb als virtueller Denk-, Erzähl- und Möglichkeitsraum. Forschende arbeiten mit Schüler:innen, Künstler:innen mit Kommunen, „Boomer“ mit Studierenden – und perspektivisch mit KI als Denkverstärker. Ziel sind Zukunftsnarrative, die nicht lähmen, sondern befähigen. Doch warum überhaupt Erzählungen?

Weil Zukunft nicht nur gerechnet, sondern vorstellbar gemacht werden muss. Und wer sie als gemeinsame Aufgabe versteht, entdeckt Anknüpfungspunkte – in seinem Quartier, in der Schule, in Verwaltung und Unternehmen. „Wir schreiben so, dass Denken in Bewegung kommt“, sagt Christiani. „Unser Ton ist essayistisch, unsere Basis evidenzbasiert.“

… sondern anders!

beyond new hat drei Signature-Themen identifiziert, an denen bereits mit Fellows in Szenarien gearbeitet wird:

1) beyond climate change – Klimafuturologie & Eurotopia

CO₂-Minderung reicht nicht mehr. Es braucht Regeneration und Anpassung als gemeinsame Kulturleistung. Das Leitbild „Klimabauhaus Europa“ verbindet hier Technik, Stadt, Landschaft und Bildung: Schwammstädte, CO₂-bindende Re-Use-Bauten, menschorientierte Mobilität, Energie-Communities oder etwa „Tiny Forests“. Und es geht um Resilienzbildung: Schulen und Hochschulen als Orte, an denen Kooperation, vorausschauendes Denken und Ambiguitätstoleranz geübt werden. Europa kann dafür das Reallabor sein: nicht aus moralischer Überlegenheit, sondern weil Institutionen, Infrastrukturen und Freiheitsrechte Gestaltung ermöglichen – in fairer Kooperation auch mit dem Globalen Süden.
Viele Lösungen sind bekannt. beyond new will dieses verstreute Innovationswissen zu einem zusammenhängenden, überprüfbaren Zukunftsbild verbinden: Eurotopia. Eine aus der fernen Zukunft zurückerzählte Geschichte Europas als Anpassungs- und Resilienzraum – mit Szenarien, Kennzahlen und Prototypen, die zeigen, wie kühle Quartiere, kreislauffähiges Bauen, Gemeingut-Energie und lernende Institutionen Wirklichkeit wurden.

2) beyond economy – Wirtschaft jenseits des Weiter-so

Das Zielbild hier ist eine Resilienzökonomie: Schutzgüter wie Wasser, Gesundheit, Hitze-/Kälteschutz und Ernährung werden verlässlich öffentlich gesichert; Gemeingüter und regionale Kreisläufe ersetzen Extraktion; Prävention schlägt Schadenskosten. Der Staat wird missionsorientiert gedacht – als Investor, Regelsetzer und Betreiber offener Basisplattformen. Künstliche Intelligenz dient als Gemeingut-Infrastruktur (Public-Interest-Compute & -Data-Strukturen, offene Standards, Auditierbarkeit, demokratische Aufsicht) und verbessert Bedarfserhebung, Allokation und Frühwarnung. Daran arbeitet bereits ein starkes Team: Dirk Meyer, langjähriger Spitzenbeamter, übersetzt Vision in wirksame Steuerung und Beschleunigung; Kai Lindemann, Sozialpolitiker und Geschäftsführer des Berliner Arbeitslosenzentrums, verankert Gerechtigkeit und Arbeitswelt-Realität; Dr. Stefan Wolf überträgt Future-Literacy von der Kinder-Uni bis in Hochschulseminare – damit neue Haltungen gelernt und gelebt werden.

3) beyond trauma – Wie Traumata die Transformation verhindern

Nicht nur Wissensmangel bremst Transformation, sondern auch unverarbeitete Verletzungen. beyond new entwickelt traumasensible Räume, Regeln und Rituale, die Urteils-, Empathie- und Konfliktfähigkeit stärken – begleitet von Evaluation entlang von Sicherheit, Verbundenheit, Selbstwirksamkeit und Spannungsfähigkeit. Das Fellow-Team verbindet Heilungsräume mit Öffentlichkeit: Michael Gleich, konstruktiver Journalist und Moderator mit Friedens- und Versöhnungserfahrung, baut erzählerische Brücken in konflikthaften Feldern; Ute Scheub, Journalistin (Mitgründerin der taz) und Autorin, macht die leisen Prozesse sichtbar; Stella Schaller, systemische Transformationsbegleiterin und Mitgründerin des Thinktanks Reinventing Society, bearbeitet Traumata, damit aus emotionaler Starre wieder Gestaltungsfähigkeit wird.

Warum das anders ist: beyond new denkt nicht die nächsten kleinen Schritte, sondern den Neubeginn – und baut dafür arbeitsfähige Koalitionen: Fellows entwickeln KI-gestützte Szenarien, kuratieren Dialoge, testen Prototypen und machen die Ergebnisse in ihren Podcasts, Magazinbeiträgen und Büchern erlebbar. Denn nur, was erzählt und vorstellbar wird, verändert Denken und Handeln – und damit auch unsere mentale Lage in dieser Zeit des Umbruchs.

Mitmachen und kooperieren

Kooperation? „Gern“, sagen die Gründer, „auch jenseits unserer Blase.“ Das derzeitige Crowdfunding finanziert drei Bausteine: den Start der Podcastserie „beyond new“, die Nullnummer des Magazins „bn – The Human Future Magazine“ und den Stiftungs-Grundbetrieb – also die Arbeitsinfrastruktur, die alles trägt. So bleibt das Team schlank, handlungsfähig und transparent – und aus Ideen werden Narrative für einen konkreten Neubeginn der Menschheit.

Der Beitrag erschien am 3. Dezember in forum future economy 01/2026.

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert